chezweitz museale und urbane Szenografie

Verschweigen | Verurteilen

Verschweigen | Verurteilen

Wanderausstellung zur Verfolgung und Diskriminierung von Homosexualität in Rheinland-Pfalz, im Auftrag des Ministeriums für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz (MFFJIV) Rheinland-Pfalz

Rathaus der Landeshauptstadt Mainz
20.02. – 24.03.2018

Am 1. Okto­ber 2017 war es so weit: Homo­sex­uelle Paare dür­fen in Deutsch­land heirat­en. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Gle­ich­berech­ti­gung – und es war ein langer Weg. Wie lang, zeigt ab Feb­ru­ar 2018 die Wan­der­ausstel­lung Ver­schweigen / Verurteilen“ am Beispiel des Lan­des Rheinland-Pfalz. 

Schwulen Män­nern dro­hte auf Basis des berüchtigten Para­graphen 175 StGB bis 1969 Verurteilung und Gefäng­nis, les­bis­che Frauen hat­ten kaum Möglichkeit­en, ein selb­st­bes­timmtes Leben jen­seits der nor­malen“ het­ero­sex­uellen Ehe zu führen. Dank des Beschlusses des Land­tags Rhein­land-Pfalz vom 13. Dezem­ber 2012 zur Aufar­beitung der strafrechtlichen Ver­fol­gung homo­sex­ueller Men­schen“ wurde im Jan­u­ar 2017 ein umfassender Forschungs­bericht erstellt, der Grund­lage für diese mobile Ausstel­lung ist. Diese zeigt auch – und das ist wesentlich schw­er­er, da es (noch) wenig Mate­r­i­al gibt – wo sich den­noch pri­vate Spuren von les­bis­chem und schwulem Leben in Rhein­land-Pfalz find­en. Unsere Szenografie über­führt diese hochgr­a­dig indi­vidu­ell erlebte und zur sel­ben Zeit öffentlich heiß disku­tierte Debat­te in eine Architek­tur, die gekon­nt per­sön­liche Schick­sale mit der geset­zlichen Verurteilung in einem Ausstel­lungssys­tem vereint. 

Ver­streut im Raum ste­hen Garder­oben­wände, mit Stoff bespan­nt, teils transluzent, mal den Blick hin­durch ver­bi­etend. Sie ste­hen stel­lvertre­tend für eine Epoche der Maßregelung, in der vieles, was heute fast selb­stver­ständlich ist, im Ver­bor­ge­nen geschehen musste. Gle­ichzeit­ig erzählen sie von den würde­losen Geset­zen und Ver­boten, von Moral und Unmoral und den draus resul­tieren­den Fol­gen für die Betrof­fe­nen. Gle­ich daneben blickt der Besuch­er, auf Augen­höhe, in die Gesichter der auf durch­sichti­gen Bah­nen gedruck­ten Indi­viduen. Zur Unken­ntlichkeit ver­wis­cht sind ihre Gesicht­szüge – das indi­vidu­ell­ste Merk­mal unseres Kör­pers. Ihre Ver­frem­dung spiegelt nicht nur das Gefühl wider, als Homo­sex­ueller in der Gesellschaft keine Anerken­nung zu find­en, es ste­ht auch für die Ver­leum­dung der Per­so­n­en durch Ver­bote und Geset­ze. Durch Über­lagerun­gen bildet sich eine Men­schen­menge, die dem Besuch­er einen Moment der Iden­ti­fika­tion ermöglicht und damit die vie­len Einzelschick­sale in den heuti­gen (Zeit-)Raum zurück­holt. Das Pri­vate von damals tritt in das Hier und Jet­zt, kann erzählen und anmah­nen! Doch dass eben jene Ver­bote und Strafver­fol­gun­gen trotz­dem auch Platz für indi­vidu­elle und frei­heitliche Möglichkeit­en ließen, davon bericht­en die in den Ausstel­lungskon­text inte­gri­erten Bewe­gungsräume. Es geht hier ver­mehrt um Einzel­bi­ografien, Spiel­räume, die sich Per­so­n­en selb­st geschaf­fen haben, eigene Sub­kul­turen, die sich formten und Wider­stand leis­teten. Und da auch heute, ent­ge­gen der Öff­nung von Ehe und homo­sex­ueller Emanzi­pa­tion, immer noch Intol­er­anz und Angst das Pri­vate durch­drin­gen, find­et der Besuch­er inmit­ten der Ausstel­lung einen Spiegel, der ganz bewusst und pro­vokant Fra­gen stellt: Was wäre, wenn mein Kind schwul/lesbisch/trans*/inter wäre? Wie darf ich sein? Welche Vorurteile habe ich? 

Die Ausstel­lung ist ein wichtiger Baustein für die Aufar­beitung dieses Teils der bun­desre­pub­likanis­chen Geschichte, und wir freuen uns, sie für das Min­is­teri­um für Fam­i­lie, Frauen, Jugend, Inte­gra­tion und Ver­brauch­er­schutz real­isiert zu haben. Am 19. Feb­ru­ar fand die Eröff­nung im Mainz­er Rathaus statt. Die Ausstel­lung basiert auf den Forschungsar­beit­en von Dr. Gün­ter Grau und Dr. Kirsten Plötz, veröf­fentlicht als Bericht der Lan­desregierung zum Beschluss des Land­tags vom 13. Dezem­ber 2012 zur Druck­sache 161849: Aufar­beitung der strafrechtlichen Ver­fol­gung und Reha­bil­i­tierung homo­sex­ueller Men­schen: Dr. Gün­ter Grau/​Dr. Kirsten Plötz: Ver­fol­gung und Diskri­m­inierung der Homo­sex­u­al­ität in Rhein­land-Pfalz, Mainz 2017.

Szenografie
chezweitz GmbH, museale und urbane Szenografie, Berlin Dr. Sonja Beeck, Detlef Weitz, Julia Volkmar, Lena Schmidt mit Anna Horvath, Samuel Perea Diaz
Projektleitung Ministerium für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz (MFFJIV) Rheinland-Pfalz
Klaus Peter Lohest
Projektbetreuung MFFJIV
Birgitta Brixius-Stapf Wolfgang Faller Funda Römer Manuela Koessler
Ausstellungsgrafik
chezweitz GmbH, Julia Volkmar, Lena Schmidt mit Gabriel Tecklenburg
Kuratorisches Konzept
chezweitz GmbH, Detlef Weitz, Dr. Sarah Bornhorst
Ausstellungstexte
Dr. Sarah Bornhorst
Grafikproduktion
PPS Imaging GmbH, Dresden
Stationen
Rathaus der Stadt Mainz
20.2. – 24.3.2018

Eifelmuseum Mayen
07. – 28.09.

Landeskriminalamt Mainz
19.11. – 14.12.

Kreishaus Montabaur
19.03. – 17.04.2019

Gedenkstätte KZ Osthofen
16.05. – 30.06.2019

RheinMoselCampus Koblenz
05. – 26.07.2019

Rathaus Saarbrücken
01. – 16.08.2019